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Rolf Steinmann
Leiter Bestattungsamt Stadt Zürich

burkhard

Daniela Burkard
Leiterin Bestattungsamt Heiden AR

burkhard

Angelika Zika
Leiterin Bestattungsamt Kloten ZH

infanger

Rudolf Infanger
Leiter Bestattungsamt Engelberg OW

«Einfach mitfühlen»

von Fabian Biasio
15.11.2019

Jede Bürgerin und jeder Bürger wird mindestens einmal mit dem Tod konfrontiert. Dieser ist letztlich auch ein Verwaltungsakt, dem fast alle im Laufe ihres Lebens begegnen, manche mehrmals. Wer sind diese Frauen und Männer auf den Verwaltungen, die von Amtes wegen mit dem Tod zu tun haben? 

«Ich leite das Bestattungsamt», ausgesprochen in einer Smalltalk-Runde, kann betretenes Schweigen ernten. Dabei sorgen diese Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter für einen geregelten Ablauf nach einem Todesfall. 

Eine gute Betreuung seitens der Gemeinde verhindert überbordende Geschäftspraktiken der Bestattungsindustrie, in der Millionen umgesetzt werden und gibt den Hinterbliebenen Halt.

Was macht ein guter «Sachbearbeiter Bestattungswesen» aus? Was sind die Herausforderungen, wenn man trauernden Angehörigen gegenübertritt, die gerade einen geliebten Menschen verloren haben? Was brauchen diese? Und warum haben die Interviewten ihre Gemeindedaten auf Letzte Reise eingetragen? Vier ausgewiesene Expertinnen und Experten geben Auskunft. 

Rolf Steinmann

«Man ist oftmals froh, wenn die verstorbene Person möglichst schnell aus dem engsten Familienkreis weg ist.»

Videotranskript

«Es gibt immer wieder Situationen, die einem ganz tief unter die Haut gehen. Wenn Angehörige arg durchgeschüttelt werden. Von heute – im kürzesten Moment – ist alles anders. Das Leben wird wortwörtlich auf den Kopf gestellt. Und das berührt auch mich.

Es geht ja vor allem auch um die menschlichen Aspekte. Das Wissen, die Fakten, das kann man lernen. Und vieles hat auch mit Erfahrung und mit seiner eigenen Person zu tun.

Für mich ist der Tod als solches kein Tabuthema. Ich begegne dem Tod tagtäglich. Sei es in den Medien, sei es in Krimis, in Bücher, und wenn ich meinen Kindern einmal über die Schultern schaue, ist auch beim Gamen der Tod allgegenwärtig. Hingegen habe ich das Gefühl: Dass man in der heutigen Gesellschaft verlernt hat, mit dem konkreten Tod, mit dem Verstorbenen, in einer guten Beziehung zu sein. 

Das delegiert man gerne oder man ist oftmals froh, wenn die verstorbene Person möglichst schnell aus dem engsten Familienkreis weg ist. Das empfinde ich als einen gewissen Verlust. Ich erachte es im Gegenteil als Bereicherung. Dadurch, dass ich fast tagtäglich mit dem Tod konfrontiert bin, lebe ich sehr bewusst. Ich bin dankbar für das, was ich habe. Und es ist auch mit einer gewissen Demut verbunden und dem Bewusstsein, dass es mir sehr gut geht.

Wie alles ist auch das Bestattungswesen im Wandel. Am besten zeigt es sich, wenn man in der Stadt Zürich einen Friedhofsbesuch macht: Da sieht man, dass immer mehr Grünflächen vorhanden sind. In den letzten zwanzig Jahren haben wir über dreissigtausend Gräber verloren. Die Gründe dafür sind vielfältig – gesellschaftliche – es ist aber auch deshalb, weil sich immer mehr Leute kremieren und im Gemeinschaftsgrab beisetzen lassen.

Ich habe mich entschieden, als Leiter des Bestattungs- und Friedhofsamt der Stadt Zürich am Projekt Letzte Reise mitzumachen: Ich bin überzeugt, dass es eine gute Sache ist. Je mehr Leute sich mit dem Thema Tod auseinandersetzen, desto besser. Wir haben die Informationen über unsere neunzehn städtischen Friedhöfe eingetragen. Der Bestattungsplaner kann sehr hilfreich sein, in kurzer Zeit an Informationen zu kommen und sich ein Bild zu machen. Ein grosser Vorteil ist auch, dass man das anschliessend ausdrucken kann. Wenn man das dann mit den nächsten Angehörigen diskutieren kann und danach Gewissheit hat, dass das auch vom Umfeld getragen wird, finde ich das eine unglaublich hohe Qualität. Es hilft auch uns als Bestattungsämter: Dadurch, dass die Leute wissen, was sie wollen. Das führt zu einem schlankeren Ablauf – und das dient beiden Seiten.» 

Daniela Burkard, Heiden AR

«Die Hand geben und sagen: Mein aufrichtiges Beileid, es tut mir wirklich leid. Einfach mitfühlen.»

Videotranskript

«Die Ungewissheit, bis die Angehörigen da sind – man weiss nicht, in welchem Zustand sie sich gerade befinden. Sind sie sehr traurig? Weinen sie? Wollen sie einfach nur erzählen? Es gibt aber auch solche, die sehr gefasst wirken, die wie eine Art Schutzwall um sich herum gebaut haben und nichts an sich heran lassen. Das ist die Ungewissheit - wie begegnen einem die Angehörigen.

Oder wenn die Eltern eines kleinen Kindes kommen – ich habe selber Kinder – das berührt mich dann sehr. Wenn jemand gestorben ist, wissen das nach einer gewissen Zeit die meisten im Dorf. Manchmal wissen auch wir es, bevor der Todesfall überhaupt gemeldet wird, weil es herumgeht. Man kennt sich auf dem Land. Wir sind nicht so viele Leute hier. Man geht auch stärker aufeinander ein.

Ich persönlich mache es gerne, weil die Leute sehr dankbar dafür sind. Das sagen sie mir auch. Und man kann sie ein Stück begleiten, ihnen helfen.

Da ich hier im Dorf aufgewachsen bin, kommen meistens Menschen aufs Bestattungsamt, deren verstorbenen Angehörige ich persönlich gekannt habe. Dann sind sie froh, wenn sie bereits jemanden kennen, damit man auch mal jemanden umarmen kann. Oder die Hand geben und sagen: ‹Mein aufrichtiges Beileid, es tut mir wirklich leid.› Einfach mitfühlen. 

Ich habe das Email von Letzte Reise bekommen. Ich besuchte die Webseite und fand, doch, das ist eine gute Sache. Ich habe dann alle Daten abgeschrieben und eingetragen, es war kein riesiger Aufwand. Man kann die Dinge wirklich abschreiben.

Dann habe ich so eine Checkliste ausgefüllt, die man benutzen kann bei einem Todesfall. Man kann sich wirklich darauf informieren, was muss man machen, was gibt es für Möglichkeiten, auch bei uns in Heiden. Wie sieht der Friedhof aus? Dann kommen sie und wissen bereits Bescheid. Man muss nicht mehr viel erklären, was es alles gibt. Oder sie wieder fort schicken, weil sie noch überhaupt nicht Bescheid wissen. Ich finde es eine gute Sache und je mehr Gemeinden hier mitmachen, umso besser ist dieses ganze Portal.

Ich habe, obwohl ich auf dem Bestattungsamt arbeite, noch nie mit meinem Mann darüber gesprochen, was ich mal will. Ob Erdbestattung oder Kremation. Das ist für mich aber auch nicht so wichtig. Ich glaube an die Bibel, ich glaube an Gott, und ich glaube, das ich irgendwann die Ewigkeit im Himmel verbringen werde. Deshalb sind das für mich freudige Aussichten und es ist auch nicht schlimm. Für die Angehörigen ist das sicher traurig, aber wenn man so einen Glauben hat, weiss man, dass man sich wieder sieht, es ist noch nicht vorbei und man hat eine gute Zukunft vor sich.» 

Angelika Zika

«Da habe ich realisiert, dass sie sich eigentlich um den Leichnam gestritten haben.»

Videotranskript

«Ich habe das erlebt, als ich relativ neu auf dem Zivilstandsamt-Bestattungsamt Kloten gearbeitet habe: Es hat mich wahnsinnig verletzt, dass man so handeln kann:

Zu uns gehört auch der Flughafen. Es ist eine Person auf dem Flughafenareal verstorben. Im Kanton Wallis war es so, dass eine private Firma den Leichnam dieser verstorbenen Person abholen musste. Eine Firma hat uns kontaktiert. Sie fragten, wo der Verstorbene aufgebahrt sei und wo sie ihn abholen könnten. Ich gab die Kontaktdaten unserer Friedhofs an. Ich habe aufgehängt und es überhaupt nicht hinterfragt, dass das nicht in Absprache mit den Hinterbliebenen geschieht.

Einen kurzen Moment später läutete das Telefon wieder. Nochmals ein Bestattungsunternehmen, das ebenfalls den Leichnam dieser verstorbenen Person abholen wollte. Da habe ich realisiert, dass sie erfahren haben mussten, dass jemand aus ihrer Umgebung bei uns verstorben ist. Und dass sie sich eigentlich um den Leichnam gestritten haben. Es ging darum, wer diese verstorbene Person ins Wallis überführen durfte.

Ich habe dann dem Friedhof gemeldet, dass dieser Leichnam nicht herausgehe, bevor wir nicht das Okay von den Hinterbliebenen haben, wer den Verstorbenen überführen darf. Es war eine sehr erdende, eine sehr traurige Erfahrung. Mir taten auch die Hinterbliebenen leid, dass sie sich so wehren mussten.

Sie kommen manchmal so früh, dass man merkt, dass sie emotional noch gar nicht soweit sind, um etwas zu entscheiden. Und wenn sie dann kommen, brauchen sie zuerst einmal eine Führung. Jeder hat andere Erfahrungen mit dem Tod, jeder hat eigene Vorstellungen, wie er das Abschiednehmen gerne hätte. Je nach dem muss man dann ganz individuell diese Hinterbliebenen ein wenig führen und sie begleiten.

Manchmal brauchen sie aber auch, dass man ihnen bei Kompromisslösungen hilft. Vielleicht war der Wunsch des Verstorbenen nicht identisch mit ihren eigenen Bedürfnissen. 

Vielleicht sind auch die Bedürfnisse von mehreren Hinterbliebenen nicht identisch miteinander – oder auch nicht mit den Wünschen des Verstorbenen. Da braucht es vor allem Einfühlungsvermögen, das ein wenig auszubalancieren. Welches ist der Weg, der möglichst allen zusagt.

Es ist auch so, dass jede Gemeinde anders organisiert ist. Das heisst, der Bund gibt ein bestimmtes Bestattungsreglement vor, dann ist jeder Kanton anders organisiert und hat eigene Reglemente. Und auch jede Kommune hat andere Angebote. Das wird im Wohnort des Verstorbenen organisiert. Ich würde zuerst schauen, was ich machen muss und was für Angebote bestehen, die auf uns zutreffen. Ich denke, auf diesem Portal Letzte Reise wird das ideal zusammengefasst.

Dass einfach dieses Schamgefühl dem Tod gegenüber weggeht. Das ist etwas, was wir von der alten Kultur lernen können: Früher wurden die Menschen aufgebahrt. Auch um Abschied zu nehmen. Das mag vielleicht für einige überhaupt nicht mehr stimmen, aber damit konnte man die Scham und Angst auch von jüngeren Generationen zum Teil wegnehmen.

Ich wünsche mir wirklich, dass wenn sich jemand mit dem Tod befassen will oder muss, dass er keine Scham hat, uns zu kontaktieren. Und auch fragt, was es koste, was es gibt. Was bestehen für Vor- und Nachteile? Dafür sind wir auch da.

Vor allem ein Besuch von einem Herrn, er war betagt und schwer krank. Er hat mir hier im Büro mitgeteilt, dass er mit EXIT Abschied nehmen werde. Er wollte alles für seine Söhne, für seine Hinterbliebenen vorbereiten. Innert wenigen Sätzen war eine enge Verbundenheit und auch Sympathie da.

Er hat mir das sehr eindrücklich geschildert und wollte alles vorbereiten. Man könnte sagen, das sei vielleicht etwas seltsam. Aber es war eine wunderschöne Erfahrung, wie ich mit ihm alles so vorbereiten konnte, wie er sich das vorgestellt hat.

Er ging dann nach Hause und schaute es mit seinen Söhnen an. Dann kam er nochmals vorbei. Ich hatte das Gefühl, dass er gerne vorbeikam. Wir hatten insgesamt drei Gespräche. Er hat mir dann auch genau den Zeitpunkt mitgeteilt, wann er Abschied nehmen werde. Nicht weit von hier ist es dann passiert. Er hat mir auch gesagt: Wenn er dann vorbeifliege, würde er eine Runde ums Büro machen und mir zuwinken.

Ich habe das als extrem eindrücklich, als nachhaltig und auch als sehr vertrauensvoll empfunden. Es ist wirklich das eindrücklichste Erlebnis, dass ich je hier hatte, auch für mich persönlich.»

Rudolf Infanger

«Es heisst, dass man einen Ausweis und das Familienbüchlein mitbringen muss. Aber wenn sie das nicht dabeihaben, ist das nie ein Problem. Ich bin unkompliziert.»

Videotrankript

«Normalerweise müssen sich Angehörige beim Zivilstandsamt melden. Bei uns melden sie sich aber nicht im Zivilstandsamt, weil das zu weit von Engelberg entfernt liegt. Deshalb können sie zu uns auf die Gemeinde kommen und ich nehme die Anmeldung entgegen. Im Grunde benötigt es dazu nur eine ärztliche Todesbescheinigung. Das ist das wichtigste, was die Angehörigen haben müssen. Sobald diese vorliegt, läuft eigentlich alles von alleine. Es heisst, dass man einen Ausweis und das Familienbüchlein mitbringen muss. Aber wenn sie das nicht dabeihaben, ist das nie ein Problem. Ich bin unkompliziert.

Ursprünglich stamme ich nicht aus der Verwaltung, sondern aus der Dienstleistungsbranche. Diesen Gedanken versuche ich in der Verwaltung umzusetzen. Ich habe gemerkt, dass das der richtige Ansatz ist. Die Leute kommen bei einem Todesfall zu mir ins Büro. Sie brauchen Hilfe, sie sind in einer speziellen Situation, meistens emotional.

Dann sind sie froh, wenn jemand da ist, der ihnen hilft. Der ihnen die administrativen Aufgaben abnimmt und zeigt, wohin sie gehen müssen. Deshalb habe ich gemerkt: Man muss ein Dienstleister sein.

Wir haben viel weniger Erdbestattungen als früher, die haben stark abgenommen. Es ist nur noch ein kleiner Anteil, den wir heute haben. Was auch speziell ist: Wir haben immer mehr Anfragen für Gräber, welche die Leute nicht mehr unterhalten müssen.

 Diejenigen Grabarten laufen gut, die ohne Unterhalt auskommen. Es ist auch immer stärker ein Thema, dass die Leute nicht mehr auf den Friedhof wollen. Dass man alternative Möglichkeiten sucht und die Leute sagen, ‹ich will doch nicht beigesetzt werden.› 

Ich bin einer der wenigen auf der Verwaltung, der solche Themen überhaupt bearbeitet. Auf der anderen Seite erlebe ich es auch bei den Angehörigen, die zu uns kommen: Sie haben meistens keine Anknüpfungspunkte mehr zum Tod. Sie kommen meist sehr unverhofft zum Todesfall. Dann sind sie froh, wenn man ihnen helfen kann. Man merkt, es war wirklich kein Thema für diese Leute vorher.

Interessant ist auf der anderen Seite, dass wir immer auch wieder Leute haben, die sich stark mit dem Tod befassen und die vorher alles geregelt haben möchten. Die wissen wollen, wo sie eines Tages liegen werden auf dem Friedhof. Die genau geregelt haben möchten, wie die Beisetzung sein soll.

Letzte Reise habe ich angeschaut – ich bin sowieso sehr interessiert in diesem Bereich, auch was IT anbelangt. Da habe ich festgestellt, dass da jemand ein gutes Portal am Aufbauen ist. Dass Informationen angeboten werden, die für die Angehörigen sehr wichtig sein können. 

Dass sie nachschauen können, wo sie den nächsten jüdischen Friedhof finden. Oder wo es einen Friedwald in der Nähe gibt. Das fand ich eine gute Sache und ich habe entschieden, das auch zu unterstützen. Ich gab meine Daten ein und muss sagen, dass der Aufwand dafür aus meiner Sicht nicht wirklich gross war. Man hat die Daten ja vorliegend und kann sie einfach abtippen. Es ist eine kurze Fleissarbeit.

Was für mich interessant ist: Ich kann es als Verwaltungsangestellter auch als Nachschlagewerk benützen. Ich kann so nachschauen, wo der nächste Waldfriedhof liegt. Wenn ich das nicht weiss, muss ich das im Internet suchen. Jetzt habe ich ein Portal, wo alle diese Informationen gesammelt sind. Ich finde das super, dass das jemand macht. Wir unterstützen das natürlich von unserer Seite her, weil uns das auch zugute kommt.» 

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